Ein Plädoyer in zehn Punkten. Für den Pfarrberuf nah am Menschen!
Sommer 2018
Die Pfarrvertretung der Landeskirche Hannover hat am 11.6.2018 nach einem einjährigen Arbeitsprozess ein 10 Punkte-Programm verabschiedet, in dem die wesentlichen Punkte der gegenwärtigen Diskussion zusammengefasst sind. Wir haben damit Positionen entwickelt, um für die zukünftige Entwicklung der Kirche Impulse zu geben, die sich insbesondere auf die pastorale Arbeit, das „Kerngeschäft“, die Schlüsselfunktionen beziehen.1. Kirche der Reformation (im Unterschied zur „Kirche der Freiheit“)
Als ev.-luth. Kirche haben wir der Kirchengemeinde als der zentralen geistlichen Größe wieder die notwendige Entscheidungsfreiheit und Autonomie zurückzugeben, d. h. vor allem die Personal- und Finanzhoheit. Dazu ist eine spürbare Umschichtung von Finanzmitteln zugunsten der Kirchengemeinden vorzunehmen, sodass sie die ihnen gestellten Aufgaben auch wieder sachgemäß und auftragsgemäß lösen können. Das derzeitige System belässt es hingegen bei einer dauerhaften Unterversorgung, was sich lähmend auf die Motivation der MitarbeiterInnen auswirkt, wohingegen die Finanzmittel der mittleren Ebene zugewiesen oder für Großprojekte verausgabt werden.
2. Stärkung des Gemeindepfarramtes, insbesondere im ländlichen Raum
Kirche lebt sei Anbeginn im Wesentlichen von und durch basisbezogene Arbeit „nah am Menschen“. Das kann nur in überschaubaren Einheiten gelingen. Darum ist endlich gegen den Trend der letzten 10 Jahre wieder das Gemeindepfarramt und die Gemeinde als eigenständige Größe in der evanglischen Kirche vor Zentralisierungstendenzen zu schützen. Pastorale Arbeit ist in erster Linie Beziehungsarbeit und personal ausgerichtet. Darum dürfen die Pfarrbezirke eine Mitgliederzahl von 2500 Kirchengliedern keinesfalls überschreiten. Um Gemeindepfarrämter im ländlichen Raum zu stärken, sollten Zulagen, Dienstwagen, zusätzliche Sekretär*innenstunden und verbesserte Wohnbedingungen geschaffen werden.
3. Theologischer Nachwuchs/Werbemaßnahmen
Die beste Nachwuchswerbung ist eine gute Gemeindearbeit. Allein durch überzeugende, zufriedene Pastor*innen und eine lebendige aktive Jugendarbeit an der Basis der Kirchengemeinden werden junge Menschen für den Pfarrberuf gewonnen. Das haben erste Untersuchungen gezeigt. Für die heutige Nachwuchswerbung bedarf es unumgänglicher Strukturveränderungen und Anreize durch harte Faktoren wie Stipendien für das Theologiestudium, eine zeitgemässe Anpassung der Präsenzpflicht (derzeit 7 Tage erreichbar, 6 Tage verfügbar) und Residenzpflicht, resiliente Strukturen (Dienstordnungen, überschaubare Gemeindebezirke, Ausstattung Amtszimmer).
4. Dienstbeschreibungen/Salutogenese
Das Ziel von Dienstbeschreibungen sind resiliente Strukturen und die Erhaltung der genuinen berufsständischen professionellen Unabhängigkeit des Pfarrberufes durch klare Begrenzung der Aufgaben und Tätigkeiten. Dienstbeschreibungen müssen nunmehr für alle Voll- und Teildienststellen erlassen werden, um asymmetrische Konstellationen, die zu Konflikten führen, zu vermeiden. Nach transparenten quantifizierbaren Berechnungsstandards sollen sowohl das subjektive Belastungserleben objektiviert werden wie auch durch das 1:1 Verhältnis vergleichbare und nachvollziehbare Dienste geschaffen werden mit angemessenen Präsenz- und Vorbereitungszeiten.
5. Pfarrbild-Prozess
Die unterschiedlichen Diskussionsprozesse in der Landeskirche müssen unter Beteiligung der Pfarrvertretung als primär dafür zuständiger und dafür gewählter Instanz geführt werden. Das Verhältnis zwischen Ehrenamt (Prädikant*innen) und Pfarramt muss zeitgemäß, aber in Hinblick auf das evangelische Amtsverständnis auch sachgemäß reflektiert und definiert werden. Eine Enttheologisierung oder Deprofessionalisierung des Pfarrberufes ist dabei unbedingt zu vermeiden.
6. Pfarrhäuser und Dienstwohnungen
Die Residenzpflicht ist für eine gute Gemeindearbeit zuträglich, sollte aber flexibel gehandhabt werden. Der Dienstwohnungsgeber steht damit in der Pflicht, attraktive Pfarrhäuser und Dienstwohnungen vorzuhalten. Die Dienstwohnungsvergütungen sind direkt und zweckgebunden in die Kirchenkreise abzuführen, damit vor Ort die nötigen Ressourcen für Renovierungen oder Neubauten auch zur Verfügung stehen. In den Kirchenkreisen sollte ein professionelles Gebäudemanagement wahrgenommen werden.
7. Verfassungsreform/Kirchenkreis-Kirche
Die Pfarrvertretung bewertet die Schaffung einer neuen Verfassung kritisch. Die Kritik der Pfarrvertretung an dem vorliegenden Neu-Entwurf richtet sich vor allem gegen die Parallelisierung von Ortskirchengemeinde und Personalgemeinde, gegen eine zu starke Stellung der Kirchenverwaltung, gegen eine weitere Stärkung der mittleren Ebene (auch durch eine behauptete Kirchenkreis-Mitgliedschaft der Gemeindeglieder) und gegen eine Schwächung des Subsidiaritätsprinzips, das bekanntlich den Vorrang der basisnäheren Einheit vor anderen sichern will. Er sieht des weiteren die Gefahr einer weiteren Hierarchisierung geistlicher Ämter und damit die Preisgabe des protestantischen Prinzips des einen ordinierten Amtes in unterschiedlichen Funktionen.
8. Leitungsstrukturen in der Kirche
Leitung, geistlich oder administrativ, hat immer eine dienende, der Verkündigung des Evangeliums und dem Aufbau der Kirche untergeordnete Funktion, sie hat keine eigene Dignität an sich. Anders als bei einem Konzern oder Betrieb lehnt sich das Leitungsverständnis in der Kirche eng an den neutestamentlichen und reformatorischen Befund (z.B. Mt 23,8/CA V) an. Befugnisse und Zuständigkeiten sowie Kontrollmechanismen müssen klar definiert sein. Im Kreis der Ordinierten ist der/die Superintendent*in in reformatorischer Tradition zunächst primus/a inter pares. Er/sie nimmt gegenüber den Pastor*innen die Dienstaufsicht wahr, ist jedoch laut Auskunft des Landeskirchenamtes nicht Dienstvorgesetzte/r und hat insofern keinerlei Weisungsbefugnis in Angelegenheiten der Amtsführung.
9. Konfliktmanagement
In problematischen Kirchengemeinden, in denen es zu Konflikten (Rücktritt des Kirchenvorstandes, Fluktuationen, mehrere Wechsel, öffentliche Aufmerksamkeit in den Medien) gekommen ist, muss, bevor es es zur Neubesetzung kommt, eine externe Untersuchung stattfinden durch Berater*innen, die nicht in einem Dienst- und Abhängigkeitsverhältnis zur Landeskirche stehen.
10. Pfarrdienst heute (Residenzpflicht, Dienstwohnungspflicht, Erreichbarkeit)
Heutiger Pfarrdienst ist ortsnah und in überschaubaren und damit auch „leistbaren“ Pfarrbezirken/Kirchengemeinden zu organisieren. Dabei sollte in Zeiten offener Landeskirchen-Grenzen alles drangesetzt werden, sich bei der Pfarrbezirksgröße am Durchschnitt aller Landekirchen zu orientieren.
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