Positionspapier der Pfarrvertretung zur Frage von quantifizierten Dienstbeschreibungen für das Gemeindepfarramt in der Landeskirche Hannover
Oktober 2021
Die Pfarrvertretung begrüßt ausdrücklich, dass die Landeskirche sich dem Thema: Dienstbeschreibungen für das Gemeindepfarramt angenommen hat. Den 1. Entwurf haben OKR H. Aßmann und OKRin G. Ahnert-Sundermann der Pfarrvertretung am Mo 6.9.2021 vorgestellt.Im Folgenden haben wir unsere Vorschläge und unsere Kritik thesenartig zusammengestellt. Das gemeinsame Positionspapier wurde in der vorliegenden Form in der Sitzung 4.10.2021 einstimmig beschlossen und verabschiedet. Gern sind wir zu weiteren Gesprächen und Abstimmungsprozessen bereit.
Grundsätzlich präferiert die Pfarrvertretung das TERMIN-STUNDEN-MODELL, wie es in der Westfälischen Landeskirche und auch anderen Gliedkirchen der EKD seit geraumer Zeit erfolgreich angewendet wird wird. Wir halten diesen pragmatischen Ansatz und die dafür angewendete Software für zielführend, um die Attraktivität des Pfarrberufes wieder herzustellen und Schutz und Fürsorge für alle Pastor*innen in der Landeskirche zu gewährleisten.
I. Inhaltliche, grundsätzliche These: Dienstbeschreibungen müssen quantifiziert, vergleichbar und verallgemeinerbar sein.
a) Die grundsätzliche Bedeutung von Dienstbeschreibungen für Pfarrstellen, deren Einführung bereits im PfDG.EKD von 2010 als Kann-Bestimmung vorgesehen ist, ist mittlerweile unbestritten und weithin anerkannt, lediglich die Umsetzung ist in Hannover im Bereich der vollen Gemeindepfarrstellen - anders als bei den Teildienststellen sowie den funktionalen Diensten - bisher noch nicht geschehen. Dies nachzuholen und nun somit Dienstbeschreibungen für alle im pfarramtlichen Dienst stehenden zu erstellen ist eine nunmehr anstehende zentrale Aufgabe. Diese Dienstbeschreibungen sollen und müssen jedoch quantifiziert sein, um die Vergleichbarkeit untereinander und zu anderen kirchlichen wie außerkirchlichen Berufsgruppen herzustellen.
b) Die Notwendigkeit, den Pfarrberuf dadurch stärker als bisher zu strukturieren, ist unsererseits verbunden mit der Hoffnung, dadurch bei den zahlreichen derzeitigen Problemen im Bereich Burnout-Problematik/Langzeiterkrankungen, verfallender Urlaub, unfreiwilliger Verzicht auf den freien Tag pro Woche und die damit zusammenhängenden Dauervakanzen inklusive der in Folge dessen immer drängender werdenden Vertretungsproblematik zumindest teilweise Abhilfe zu schaffen. Weiterhin sind wir der Überzeugung, dass das Nachwuchsproblem im Beruf: Pastor*in nicht unwesentlich mit dem Wunsch der nachkommenden Generationen nach einem strukturierten Dienst im Zusammenhang zu sehen ist. Dies ist eine Aufgabe des Dienstherrn aufgrund der gebotenen Fürsorgepflicht. Es ist zudem auch um der Funktionsfähigkeit der Organisation willen dringend geboten. In diesem Kontext ist auch der Hinweis auf das biblische Sabbatgebot erlaubt.
c) Diese Notwendigkeit ergibt sich auch aus der Tatsache heraus, dass die Erfordernisse von Dienstbeschreibungen mittlerweile EKD-weit anerkannt sind und bereits viele andere Landeskirchen solche inzwischen auch bereits eingeführt haben. So haben mehrere Landeskirchen auch in Norddeutschland bereits das Westfälische Terminstundenmodell weitgehend umgesetzt, darunter mit Oldenburg auch bereits eine lutherische Kirche.
d) Verstärkt wird diese Fragestellung und Dringlichkeit zusätzlich durch die bevorstehende Pensionierungswelle und damit zu erwartende Zunahme von Vakanzen, die ebenfalls durch die Pfarrerschaft zu bewältigen sind. Arbeitsintensive und aufreibende Fusionsprozesse (Gesamtkirchengemeinde), verbundene Pfarrämter und die eingeforderten Zusatzaufgaben im Kirchenkreis sind weitere Faktoren, die es unerlässlich machen, über Dienstbeschreibungen den Pfarrberuf wieder gestaltbar und zukunftsfähig zu machen und ihm damit auch seine ursprüngliche Freiheit zurückzugeben.
e) Die Attraktivität des Pfarrberufs in Zeiten weniger werdenden Nachwuchses ist ebenfalls nur dann aufrechtzuerhalten, wenn die berechtigten Erwartungen des theologischen Nachwuchses in Bezug auf Work-Life-Balance sowie Trennung von Arbeit und Freizeit ausreichend Berücksichtigung finden. Dies kann nur durch an der Praxis orientierte Modelle geschehen, die auch messbar, belastbar und prüffähig sind. Andernfalls sind Abwanderungsprozesse zu Landeskirchen mit besseren Konditionen zu erwarten.
f) Letztlich sind all die vorgenannten Punkte auch darum unerlässlich, weil andernfalls die Qualität der pfarramtlichen Arbeit durch Überbelastung abnimmt, was angesichts der enormen Wichtigkeit motivierter und guter pastoraler Arbeit (s. Ergebnisse der KMUs) unverantwortbar wäre. Diese intrinsische Motivation zu erhalten und zu fördern, ist Aufgabe aller Beteiligten. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Führungskultur und ein wichtiger Bestandteil der Führungskultur ist Vertrauen.
II. Konkretionen: Dienstbeschreibungen dürfen nicht mehr als 42 WST zugrunde legen, um inner- und außerkirchlich eine vergleichbare legitime und gerechte Basis zu haben.
a) "Gut, gerne und wohlbehalten", das Bayrische Modell/Handreichung/Mängel und Nachteile der Dienstbeschreibung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern:
- Die in der bayrischen Handreichung zugrunde gelegte Basis von 48 Wochenstunden beinhaltet theologische Arbeit und Weiterbildung. Wie auch in anderen Berufen ist das als freiwillige Betätigung außerhalb der zu berechnenden Arbeitszeit unbenommen. Nichtsdestotrotz ist die geistlich-theologische Existenz als Grundlage für die Profession unabdinglich und muss als wöchentliches Zeitkontingent neben regelmäßiger Fort- und Weiterbildung in der Dienstbeschreibung adäquat bemessen werden.
- Theologische Existenz ist mit 2-5 WST im Bayrischen Modell angesichts der Komplexität und Kreativität des Pfarrberufes angemessen berücksichtigt. Diese Zeiten müssen in der Wochenarbeitszeit innerhalb von 42 Stunden dargestellt werden (wie auch bei B-Kirchenmusiker*innen das Orgelspiel und ähnliches oder Diakon*innen der Freizeitausgleich).
- Die Beteiligung der Kirchengemeinde, repräsentiert durch den Kirchenvorstand, ist für eine kooperative und möglichst konfliktfreie Umsetzung unerlässlich. Nur wenn diese Ebene (auch aus ekklesiologischer Sicht) angemessen berücksichtigt ist, kann der/die Stelleninhaber*in von einer möglichst störungsfreien Zusammenarbeit ausgehen und sind die örtlichen Besonderheiten angemessen im Blick. Superintendent*in hat dafür Sorge zu tragen, dass der vorgegebene Rahmen von 42 Stunden dabei nicht überschritten wird und die unterschiedlichen Interessen in Einklang gebracht werden.
b) Wochenarbeitszeit: 42 statt 48 Stunden
- Die Pfarrvertretung Hannover legt eine 42 Stunden Wochenarbeitszeit wie im auch für die Kirchenbeamten LandesbeamtenG Niedersachsen zu Grunde. Das ist aus Gründen der Vergleichbarkeit geboten und entspricht den Richtlinien für andere Berufe mit ähnlich komplexen und anspruchsvollen Tätigkeitsfeldern.
- Pastor*innen im übergemeindlichen Dienst (HKD, Schuldienst, Krankenhausseeelsorge) haben eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von 41 Stunden, diese gilt als grundsätzlich anerkannt. Auch hier gilt der Grundsatz der Vergleichbarkeit und der Gerechtigkeit innerhalb der eigenen Organisation.
- Fahrtzeiten sind in den 42 WST enthalten, sofern sie über dem Durchschnitt liegen (z.B. weit auseinander liegende Dörfer)
c) 21-21 Terminstunden-Modell schafft Klarheit und Transparenz, auch durch die Setzung von Grenzen
- Die Arbeitszeiten und Bedingungen erfordern ohnehin schon eine große Flexibilität und sind selten in einer 6 Tage-Woche unterzubringen. Durch eine Strukturierung in 21 Präsenz- und 21 Vorbereitungsstunden wären verlässliche Grenzen gegeben, die allerdings auch erfordern würden, dass über eine effiziente Verschlankung von Strukturen nachgedacht werden müsste.
- Zeitkorridore, Jahresarbeitszeitmodelle wie im Bayrischen Modell lassen sich hingegen schwer auf die Wochenarbeitszeit herunterrechnen und führen zu einer ungenügenden Präzision der Arbeitszeiten.
d) Leben im Pfarrhaus (Präsenz- und Residenzpflicht)
Wohnen im Pfarrhaus macht sowohl mental als auch praktisch-zeitlich einen bedeutsamen Teil der theologischen Existenz aus. Wir sehen diese Form der Sichtbarkeit und der Verfügbarkeit VOR ORT als durchaus sinnvoll an, jedoch nicht als konstitutiv. Die Präsenz- und Residenzpflicht erfordert ein Zeitkontingent an Verfügungszeit für Unvorhergesehenes und sollte darum in der Dienstbeschreibung ihren Niederschlag finden mit einem 5-6 WST.
e) Dienstwochenmodell für Teilzeitstellen – eine Anregung
Die Pfarrvertretung regt an, 0,5 Pfarrstellen im Gemeindepfarramt im Dienstwochenmodell (Voraussetzung: Regelung für Vertretung muss vor Ort verlässlich geregelt sein) einzurichten. Wir sind der Ansicht, dass dieses Dienstwochenmodell die Attraktivität von Teilzeitstellen erheblich steigert. Ein weiterer Vorteil der Termin-Stunden-Regelung für dieses Modells wäre, dass eine klare Abgrenzung der Dienstzeit möglich wäre. Auch hier gilt die Zugrundelegung einer 21h-Terminstundenwoche.
Grundsätzlich stellen wir fest, dass eine möglichst präzise und explizite Darlegung der Arbeitszeit dafür sorgt, dass unklare Erwartungen aneinander und damit verbundene Konflikte vermieden werden können. Verhaltenssicherheit und das notwendige Vertrauensverhältnis kann so auf allen Seiten hergestellt und gefördert werden. Die Pfarrvertretung plädiert dafür, die Arbeitszeit aller hannoverscher Pastorinnen auf 42 Wochenstunden festzulegen. Anteilig ist dies auch für den Teildienst anzuwenden.
III. Wege der Umsetzung (Instanzen)
a) 4 Schritte für belastbare Zahlen: Bestandsaufnahme vor Ort
1. Für jede Dienstbeschreibung sollen die Gegebenheiten VOR ORT vorab genau konstatiert werden. Eine Bestandsaufnahme der regulären Kernaufgaben kann anhand der Statistik, Tabelle II und der Analyse des Sozialraumes erfolgen. Auf diesem Weg sind die Anzahl der Kasualien, die Bewirtschaftung von Kitas, Schulen, Pflegeheimen, Friedhöfen, die Anzahl der Predigtstätten, gemeindeinterne Familienzentren oder Obdachlosenprojekte als gesetzte Zeitfaktoren vorab zu berechnen.
2. Weiterhin sind die Ansprüche des KK wie Beauftragungen, Konferenzen, KKT/KKV/Ausschüsse, Notfallseelsorge, Rufbereitschaft, Urlaubsvertretung in WST zu benennen.
3. In einem weiteren Schritt gilt es, die Traditionen und Geflogenheiten (z.B. erfolgreiche Kindergottesdienstarbeit, Kulturkirche mit vielen Ausstellung und Konzerten), aber auch die Milieus in der KG wahrzunehmen und auf ihre Relevanz hin zu überprüfen.
4. Erst danach kommt die „Kür“ des/r Pastor*in (Interessen, Talente, Schwerpunkte) und das „Wunschkonzert“ der KG (Reformen, mehr Besuchsdienstarbeit, Gesprächskreise oder ähnliches) zum Zuge.
1.-3. Schritt sind zwischen Superintendent*in und Kirchenvorstand zu klären, bevor Pastor*in in die KG kommt. Pastor*in liegt somit vor Dienstantritt eine aussagekräftige Stellenausschreibung mit einem verlässlichen Anforderungsprofil vor.
b) Zustandekommen der Dienstbeschreibung
Nachdem auf der Basis des 21-21 Terminstunden-Modells die Kernaufgaben beschrieben und ausgerechnet sind, KG und Pastor*in sich verständigt haben (4. Schritt), muss die Dienstbeschreibung im LKA geprüft und freigegeben werden, bevor sie als vollgültig zur Anwendung gebracht wird.
Wir halten es für unabdinglich, dass das LKA an dem Prozess als dienstaufsichtführende Behörde beteiligt wird, um Ungleichmässigkeiten oder auch Missbrauch zu verhindern, ähnlich wie es auch es auch bei der Genehmigung der Stellenplanung im KK üblich ist.
Pastorin Ellen Kasper, Vorsitzende der Pfarrvertretung Hannover
Hannover, 4.10.2021
Kommentare
20. 10. 2021
Liebe Pfarrvertretung!
Ich finde dieses Positionspapier grundsätzlich gut und begrüße den Einsatz für Dienstbeschreibungen, die zwischen Pastor:in und Kirchenvorstand miteinander abgestimmt werden. Sie sorgen hoffentlich dafür, dass Pfarrpersonen "gut, gerne und gesund“ ihre Tätigkeiten ausführen können.
Als Superintendent bemühe ich mich gern, solche Gespräche zu moderieren und zu helfen, gegenseitiges Verständnis aufzubauen. Was rein pragmatisch aber gar nicht funktionieren würde, ist die Forderung, die Superintendent:innen sollen einschreiten, wenn die 42-Stunden Woche überschritten wird. Das ist für Superintendent:innen ja nicht einfach schnell zu bemerken. Die Betroffenen müssten sich melden, wenn in dieser Hinsicht Schwierigkeiten entstehen. Dann müssten wiederum Gespräche geführt werden, um das dahinter stehende Problem zu erkennen und lösen zu können.
Viel Erfolg weiterhin beim Einsatz für eine moderne Kirche!
Superintendent Frank Albrecht Uhlhorn
(Göttingen)
Liebe Pfarrvertretung!
Ich finde dieses Positionspapier grundsätzlich gut und begrüße den Einsatz für Dienstbeschreibungen, die zwischen Pastor:in und Kirchenvorstand miteinander abgestimmt werden. Sie sorgen hoffentlich dafür, dass Pfarrpersonen "gut, gerne und gesund“ ihre Tätigkeiten ausführen können.
Als Superintendent bemühe ich mich gern, solche Gespräche zu moderieren und zu helfen, gegenseitiges Verständnis aufzubauen. Was rein pragmatisch aber gar nicht funktionieren würde, ist die Forderung, die Superintendent:innen sollen einschreiten, wenn die 42-Stunden Woche überschritten wird. Das ist für Superintendent:innen ja nicht einfach schnell zu bemerken. Die Betroffenen müssten sich melden, wenn in dieser Hinsicht Schwierigkeiten entstehen. Dann müssten wiederum Gespräche geführt werden, um das dahinter stehende Problem zu erkennen und lösen zu können.
Viel Erfolg weiterhin beim Einsatz für eine moderne Kirche!
Superintendent Frank Albrecht Uhlhorn
(Göttingen)
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