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Die §§79-80 PfDG.EKD und die Glaubwürdigkeit der Kirche - Über das geplante Symposion 2025 in Kassel


19. Juni 2024
Der sogenannte „Ungedeihlichkeitsparagraph“ wurde im staatlichen Beamtengesetz 1953 entfernt, weil er nicht nur im Nationalsozialismus, sondern auch schon in der Weimarer Republik missbraucht wurde, um nicht politisch korrekte Beamte aus dem Dienst zu entfernen. Im kirchlichen Pfarrerdienstgesetz existiert er bis zum heutigen Tag immer noch. Die Überarbeitung 2010 mit der Neuformulierung als Verfahren aufgrund einer „nachhaltigen Störung in der Wahrnehmung des Dienstes“, die nicht in einem Fehlverhalten der Pfarrperson begründet sein muss, hat die Situation eher „verschlimmbessert“.

Eine einfache Mehrheit im Kirchenvorstand genügt, um das Verfahren einzuleiten, wenn das „Vertrauen zerrüttet“ ist. Die Ursachen und Verursacher müssen zum Schutz der Pfarrperson nicht ermittelt werden, begründet man in der Kirchenleitung. Das wird in §80 so geregelt: Ein Fehlverhalten seitens der Pfarrperson muss nicht vorliegen.

Der Amtsenthebungsbeschluss der Kirchenleitung kann in der Folge zu Wartestand und vorzeitigem Ruhestand führen. Oft führt es auch nach jahrelangen zermürbenden Verfahren und Verhandlungen in Langzeiterkrankungen oder sogar in die Dienstunfähigkeit. Die Verletzungen werden Kolleg*innen ein Leben lang nicht mehr los und begleiten sie bis ans Ende Ihres Berufslebens und da nie aufgeklärt wird, was unter dem Siegel der Verschwiegenheit im Kirchenvorstand passiert ist, verbinden sich mit der „causa“ allerlei Gerüchte und Mutmaßungen, denn: „Irgendetwas muss er/sie ja falsch gemacht haben“.

In den meisten Fällen kommen die §§79-80 PfDG.EKD nicht zum Anschlag, es genügt die Drohkulisse. Nach Aussage der Rechtsanwälte,die Kolleg*innen in solchen Verfahren vertreten, sind die Chancen, ein solches Verfahren zu gewinnen, gering, weil „Zerrüttung“ und „Vertrauen“ keine juristischen Begriffe sind, sondern in den Bereich der menschlichen Beziehungen gehören. Der Trugschluss in der Kirchengemeinde „Frieden durch Ausschluss“ zu erwirken, hält sich quer durch alle Hierarchien.

Schon lange und immer wieder haben sich Pfarrvertretungen und Initiativen wie D.A.V.I.D e.V. mit der Abschaffung dieser Paragraphen beschäftigt und darum gerungen, transparente und nachvollziehbare Kriterien, die rechtsstaatlichen Standards genügen, zu entwickeln. Auch hat die Pfarrvertretung Hannover einen Leitfaden entwickelt, der im Juni 2024 veröffentlicht wird, um überzeugendere Lösungen im Geist Jesu Christi in einer solchen Situation zu finden. Auch muss es der Pfarrperson seitens der Kirchengesetze möglich sein, sich auf dem Klageweg an staatliche Gerichtsbarkeit zu wenden. Dies zu verwehren, dürfte gesellschaftlich kaum noch zu vermitteln sein. Die kirchenrechtlichen Bestimmungen decken sich mit dem Problem der christlich überhöhten Idealisierung der Dienstgemeinschaft als geschwisterliches Miteinander.

Dr. Annegret Böhmer, Psychotherapeutin, Supervisorin und Professorin an der Evangelische Hochschule in Berlin hat in ihrem Artikel: „Arbeitsplatz Evangelische Kirche“, in dem Sammelband: „Kirchenrecht - Sonderrecht-Unrecht“, Wiesbaden/Berlin 2010, S. 95ff das Phänomen der Familialisierung der Arbeitsstrukturen psychoanalytisch untersucht und kommt zu dem Schluss: „Der religiöse und demokratische Toleranzanspruch verbietet solche Konflikte. Die Rivalitäten und Machtkämpfe, die dennoch oft den Arbeitsalltag dominieren, können nicht offen ausgetragen werden. Es ist eine bürgerlich-protestantische Familienatmosphäre, in der alle in die innere Emigration gehen, sich nicht sagen, was sie voneinander denken, aber freundlich lächelnd bei Tische sitzen.“

Das geplante Symposion ist darauf angelegt, Aufklärungs- und Bewusstseinsarbeit zu leisten und zugleich eine Erklärung zu verabschieden, die für die binnen- und außerkirchliche Öffentlichkeit bestimmt ist. Eingeladen werden Personal- und Rechtsreferent*innen der EKD-Gliedkirchen, die Mitglieder der Dienstrechtlichen Kommission, die Vertreter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD, die Vertreter von Pfarrvereinen und Pfarrvertretungen, Vorstandsmitglieder des Verbandes Evangelischer Pfarrer und Pfarrerinnen in Deutschland, Staatsrechtler, Fachanwälte für Arbeitsrecht und Kirchenrecht, EKD-Synodale und Landessynodale.

Die Vorbereitungen haben jetzt begonnen und werden von einem Multiplikatorenkreis, der aus Vertreter*innen der Pfarrvertretungen der EKD, Mitgliedern von D.A.V.I.D e.V. und Jurist*innen besteht, geleitet.

Pastorin Ellen Kasper
Vorsitzende der Pfarrvertretung Hannover


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